Können wir Umfragen noch vertrauen und wieviel Wahrheit liegt noch in den Nachrichten?
In diesem Beitrag aus der Serie Schnelles Denken, Langsames Denken von Daniel Kahnemann stellen wir uns die Fragen: Wie zuverlässig sind Umfrageergebnisse tatsächlich und wie interpretiert unser Gehirn – die Assoziationsmaschine - diese Ergebnisse? Wieviel Wahrheit liegt noch in den Nachrichten und welche Rolle spielen hier die Medien in Zusammenhang mit der Verfügbarkeitskaskade? Warum kann uns die Wirkmächtigkeit des Ankereffekts am Basar viel Geld kosten?
Können wir Umfrageergebnissen noch vertrauen?
Warum glauben wir jedem Umfrageergebnis, solange wir uns eine konsistente Hypothese dazu im Gedächtnis formulieren können? Die Qualität der Umfrage bleibt davon völlig unbeachtet.
An einem konkreten Beispiel soll diese Beobachtung genauer erläutert werden, um besser zu verstehen, wie unser Geist funktioniert.
Eine Studie von Howard Wainer und Harris Zwerling über die Häufigkeit an Nierenkrebs zu erkranken, wurde in 3.141 Bezirken in den USA durchgeführt. Dabei kamen die beiden Autoren zum Schluss, dass die geringste Häufigkeit an Nierenkrebs zu erkranken in jenen Bezirken anzutreffen war, die dünn besiedelt, in ländlichen Gegenden und traditionell republikanischen Bundesstaaten im Mittleren Westen, Süden und Westen waren.
Sobald Sie diese Informationen lesen, bildet Ihr Gehirn die erste Hypothese. Eventuell in der Art, dass die niedrige Krebserkrankungsrate mit der geringen Schadstoffbelastung der ländlichen Gegend sowie dem einfachen Zugang von unbelasteten, frischen Lebensmitteln die Ursache dafür sein könnte. System 1 und System 2 arbeiten hierbei intensiv zusammen.
Sieht man sich das andere Ende der Studie an, nämlich mit den Gegenden wo die Häufigkeit an Nierenkrebs zu erkranken am häufigsten ist, so sind dies jene Gegenden, welche dünn besiedelt, in ländlichen Gegenden und traditionell republikanischen Bundesstaaten im Mittleren Westen, Süden und Westen waren.
Fällt Ihnen etwas auf?
Tatsächlich handelt es sich genau um die gleiche Beschreibung in denen gleichzeitig die geringste Häufigkeit auftritt. Wie kann das sein? Denn auch zu diesem Ergebnis hat sich unser Gehirn augenblicklich eine plausible Hypothese gebildet. In etwa der Art, dass die Defizite des ländlichen Lebensstils – fettreiche Ernährung, kein Zugang zu guter medizinischer Versorgung sowie hoher Alkohol und Tabakkonsum die Ursachen sein könnten.
Unser Gehirn, die Assoziationsmaschine sucht nach Ursachen. Unsere Neigung zu kausalem Denken macht uns anfällig für gravierende Fehler bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit echter Zufallsergebnisse. Der Schlüsselfaktor zur Erklärung dieses Ergebnisses liegt in der Tatsache, dass diese beschriebenen Bezirke eine geringe Bevölkerungsdichte haben. Aus der Statistik und der Wahrscheinlichkeitsrechnung weiß man, dass Stichproben aus einer kleinen Menge viel häufiger zu Extremwerten führen als Stichproben aus größeren Mengen. Und genau das ist hier bei der Studie zum Thema Nierenkrebshäufigkeit zum Vorschein gekommen. Die beiden Extremwerte – hohe und geringe Wahrscheinlichkeit an Nierenkrebs zu erkranken sind genau in jenen Bezirken aufgetreten, welche die geringste Bevölkerungsdichte aufweisen.
Die Krebshäufigkeit liegt daher in den dünn besiedelten Bezirken weder über noch unter dem allgemeinen Durchschnitt, doch erscheinen in einem bestimmten Jahr aufgrund eines statistischen Zufalls einmal höhere und einmal geringere Häufigkeiten.
Praxis Tipp:
Wenn Sie das nächste Mal von einer Umfrage oder einer Studie lesen, hinterfragen Sie zuerst, wie groß der Stichprobenumfang und auch die Qualität der Studie ist, bevor Sie deren Ergebnisse für bare Münze halten, auch wenn Ihr Gehirn eine perfekt logische Hypothese dazu parat hat. Wir schenken dem Inhalt einer Information meist mehr Aufmerksamkeit als über deren Zuverlässigkeit und kommen so zu unserer eigenen kohärenten Weltsicht, die jedoch nur in unseren Vorstellungen existiert.
Inwieweit können wir den Nachrichten noch vertrauen?
Nachdem die Welt in unseren Köpfen keine exakte Kopie der Wirklichkeit ist und für jeden von uns unterschiedlich ist, möchte ich noch einen weiteren Aspekt aufgreifen, um besser zu verstehen wie das menschliche Gehirn auf Nachrichten und Informationen im Allgemeinen reagiert.
Gut veranschaulichen lässt sich dies anhand eines Beispiels, das sich tatsächlich ereignet hat und die weitreichenden Folgen auf sehr eindrucksvolle Weise zeigt.
Es geht um den sogenannten Alar-Zwischenfall von 1989 den Kuran & Susnstein heranzogen, um das Konzept einer Verfügbarkeitskaskade zu beschreiben. Dazu muss man wissen, dass Alar eine Chemikalie ist, mit denen die Äpfel besprüht werden, um deren Wachstum zu regulieren und ihr optisches Erscheinungsbild zu verbessern. Die öffentliche Erregung begann mit einem Bericht in den Medien, wonach diese Chemikalie bei Ratten und Mäusen, welche sie in extrem hohen Mengen aufgenommen hatten, bösartige Tumore verursachten.
Diese Berichte verängstigten die Öffentlichkeit und diese Befürchtungen und Ängste lösten weitere Medien-berichte aus, die den Grundmechanismus einer Verfügbarkeitskaskade sind. Das Thema beherrschte die Nachrichten, so wie wir es auch mit unterschiedlichen Themen aus der jüngsten Vergangenheit kennen. Die Apfelwirtschaft erlitt dadurch einen massiven Schaden, da Äpfel und Apfelprodukte zu Objekten der Furcht wurden. Die Autoren zitierten einen Bürger, der sich erkundigte, „ob es sicherer ist, den Apfelsaft in den Ausguss zu gießen oder ihn zur Sondermüll-deponie zu bringen“.
Der Hersteller der Chemikalie nahm das Produkt aus dem Markt und die FDA – die US-Behörde für Lebensmittelsicherheit – verbot die Substanz. Spätere Forschungen bestätigten, dass der Stoff möglicher-weise das Krebsrisiko geringfügig erhöhen kann.
Die Reaktion auf dieses Problem war jedoch maßlos überzogen. Insgesamt wirkte sich der Vorfall wohl eher negativ auf die allgemeine Volksgesundheit aus, da zu dieser Zeit viel weniger Äpfel gegessen wurden als sonnst.
Die Alar-Geschichte verdeutlicht eine grundlegende Begrenzung in der Fähigkeit unseres Geistes, kleine Risiken richtig zu bewerten. Entweder werden sie ignoriert oder maßlos überschätzt, wie im Alan-Beispiel dazwischen gibt es nichts. Mehr Hintergrundwissen dazu finden sie in dem Buch von Daniel Kahneman mit dem Titel: Schnelles Denken Langsames Denken.
Vergleichbares passiert ebenfalls, wenn wir uns für eine Sache entscheiden müssen. Auch hier ziehen wir in aller Regel unsere Emotionen mit ein. Dies kann sich dann insoweit äußern, dass Personen die eine positive Einstellung zu einem Thema, einer Technologie oder einem Sachverhalt haben, diesen einen großen Nutzen zuschreiben und gleichzeitig ein geringes Risiko sehen diese Technologie einzusetzen. Haben Personen hingegen eine eher negative Einstellung zu gewissen Sachverhalten oder zu gewissen Technologien, werden diese viel kritischer beurteilt, oftmals nur die Nachteile gesehen und auch das Risiko diese Technologie einzusetzen wird viel höher eingeschätzt. Bei der Beurteilung an sich, kommt es oftmals nicht auf ein umfassendes Wissen an oder man recherchiert auch nicht die Zahlen, Daten und Fakten zu dem jeweiligen Thema. Man entscheidet auf Basis der Informationen, die man ohnehin schon weiß, bzw. auf Basis der Daten, die rasch verfügbar in unserem Gehirn abrufbar sind.
In diesem Beitrag haben Sie erfahren zu welchen Problemen oder Fehlinterpretationen es bei einer zu kleinen Stichprobenanzahl kommen kann sowie den Effekt der Verfügbarkeitskaskade. Abschließend möchte ich Ihnen noch einen dritten und letzten Begriff mit auf den Weg geben und dieser ist der sogenannte „Anker-Effekt“.
Anker Effekte sind im Alltag sehr weit verbreitet und ereignen sich, wenn Menschen einen bestimmten Wert für eine unbestimmte Größe erwägen, bevor Sie diese Größe abgeschätzt haben. Die Schätzwerte bleiben nahe bei der Zahl, die den Personen im Vorfeld dargeboten wurde. Die Urteile von Menschen werden dadurch von einer Zahl beeinflusst, die offenkundig keinen Informationsgehalt hat und genauso gut durch das Drehen am Glücksrad erhalten werden kann.
Ein Beispiel dazu ist die Frage: War Gandhi mehr oder weniger als 144 Jahre als er starb? Sind Sie dadurch zu ihrem Schätzwert gekommen, dass Sie 144 nach unten korrigiert haben? Vermutlich nicht, und dennoch hat sich die absurd hohe Zahl auf Ihren Schätzwert ausgewirkt. Unserer Assoziationsmaschine wird dadurch suggeriert, dass Gandhi ein sehr alter Mann gewesen sein muss als er starb, obwohl wir auch sofort wussten, dass er keine 144 Jahre alt war. Hohe oder auch niedrige Zahlen aktivieren verschiedene Vorstellungs-komplexe im Gedächtnis.
Praxis Tipp:
Denken Sie an den Ankereffekt, wenn Sie das nächste Mal in einem Basar oder am Markt feilschen, er ist sehr wirkmächtig!
Ist die erste Preisindikation genannt, ist es sehr schwer beziehungsweise fast unmöglich sich signifikant davon wegzubewegen.
Möglicherweise könnte Sie dieses Wissen auch beim nächsten Autokauf hilfreich sein. Probieren Sie es einfach aus!
Alles Gute und viel Erfolg für Ihre Vorhaben!
Bis zum nächsten Mal, hier bei yourSUCCESS.
Wenn Ihnen der Beitrag gefallen hat, freue ich mich sehr auf ein positives Feedback oder like von Ihnen. Fragen und Anregungen können Sie mir gerne in die Kommentare schreiben. Wenn Sie Fragen zu ähnlichen oder anderen Themen haben, bitte lassen Sie mich es wissen.
Links:
Schnelles Denken, Langsames Denken* von Daniel Kahneman
Thinking, Fast and Slow* von Daniel Kahneman im englischen Original
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